„Lieber einen Freund verlieren als eine Pointe auslassen“ (WOZ)


Auszug aus dem Porträt «Dann ist der Witz der Ernst» von Silvia Süess in der Schweizer WOZ

Von der Realität überholt
Seit 2012 ist auch die Kabarettgruppe Maschek ein fixer Bestandteil der Sendung. Peter Hörmanseder und Robert Stachel verfolgen schweigend am Rand der Bühne vor ihrem Laptop das Geschehen bis zu ihrem Auftritt. Ihr Konzept ist so schlicht wie genial: Sie drehen den Menschen wortwörtlich die Worte im Mund um, indem sie Nachrichtenbeiträge, Ansprachen von PolitikerInnen oder Reportagen mit ihrem eigenen Text synchronisieren.

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Die schönsten Helvetismen

 

migros-bananenWenn Schweizer miteinander deutsch sprechen, so sprechen sie üblicherweise schweizerdeutsch. Wenn Schweizer mit des Deutschen mächtigen Nichtschweizern sprechen, so sprechen sie hochdeutsch. Was viele Schweizer jedoch nicht wissen, ist, dass einige der Wörter, die für sie perfekt hochdeutsch sind, außerhalb der eigenen Landesgrenzen trotzdem für Verwunderung sorgen und zur Verständigung mit Dritten nur beschränkt dienlich sind. (Auch Österreicher unterliegen mitunter diesem Irrtum: zum Beispiel ist die Allzweckphrase „das geht sich nicht aus“ in Deutschland und der Schweiz weder dazu geeignet Termine abzusagen noch einen Geldmangel auszudrücken.)

Etablieren wir also die 10 schönsten Helvetismen auch in Deutschland, Österreich und Luxemburg. Und zwingen wir dafür die Schweizer, im Gegenzug das scharfe ß wieder zu verwenden. Die schönsten Helvetismen weiterlesen

Elffriedebuch

Das ist ein Text zu einem Elffriedebuch.

Dieses Elffriedebild besticht unter anderem durch einen relativ großen Punkt am Ellenbogen der linken Figur. Dieser Punkt ergibt für meine fantasielosen Augen keinen Sinn. Genauso wenig wie ein (verhältnismäßig) riesiges bordeauxrotes Objekt in einem der Bögen von meiner Ausgabe des Kinderbuches „Alle Jahre wieder saust der Presslufthammer nieder oder Die Veränderung der Landschaft“ von Jörg Müller, Frankfurt am Main 1973. Vielleicht war’s aber auch in „Hier fällt ein Haus, dort steht ein Kran und ewig droht der Baggerzahn oder Die Veränderung der Stadt.“ Auch Frankfurt, aber 1976. Eher war ’s der Presslufthammer.

Gerne habe ich, als ich an Jahren noch jünger war, alle 7 Bögen dieses Bildbandes im elterlichen Wohnzimmer nebeneinander aufgelegt und dann stundenlang studiert und verglichen. Die Reihe zeigt eine ländliche Idylle, die sukzessive durch Abrisse und Zubauten verschandelt wird. Als etwa Zehnjähriger fand ich die abschließenden Bilder immer am schönsten und beindruckendsten. Auf ihnen sieht man die völlig umge- bzw. verbaute Landschaft, aus der alles barocke und natürliche verschwunden und durch autofreundliche 70er-Jahre-Shoppingtempel ersetzt worden ist.

Heute denke ich anders, stehe dem Neoliberalismus kritisch gegenüber, meide den Einkauf in seelenlosen Shopping-Malls und würde jedem männlichen Leser, der von seiner Frau mit einer ganzen Einkaufstasche Nachwuchs beschenkt wird und sich ob der pädagogischen Herausforderung am Kopf kratzt, das Buch von Herrn Müller ans Herz legen.

Hier ein Faksimile des angesprochenen bordeauxroten Objekts:

Aus „Alle Jahre wieder saust der Presslufthammer nieder oder Die Veränderung der Landschaft“ von Jörg Müller, Frankfurt am Main 1973. Das Buch erhält keinen Hinweis auf das Objekt. Es passt weder stilistisch noch inhaltlich zum Rest des Bildes und Buches. Auch die beiden Buben haben mit diesem Objekt nichts zu tun. Wie dieses Detail zeigt, schauen sie knapp links daran vorbei.

Wenn Sie sachdienliche Hinweise zur Klärung des Problems haben, scheuen Sie sich bitte nicht, sie mir mitzuteilen.

Juni 2001.

update vom 11. 1. 2002:

Herr Hansjörg Widmer schreibt mir: „Das Ding ist vermutlich ein Heissluftspielzeug aus Draht und Papier, untendrin eine Konservendose mit Spiritus oder Benzin. Dass die Kinder scheinbar nicht hinschauen liegt eher an Müllers unpräziser Zeichnungs-Kunst. Vermute ich.“

Die Diskussion sei prolongiert.

update vom 1. 11. 2002:

Herr Stefan Matzinger schreibt mir: „.. habe das „sonderbare Objekt“ im Detail angeschaut. Sofort war mir klar, dass es sich dabei um einen selbstgebastelten Heissluftballon handelt, den viele Jugendliche in der Schweiz schon selbst hergestellt haben, sei es in Jugendorganisationen oder in der Schule. Das Gerüst besteht aus Maschendraht, welcher einen Kubus bildet und mit Seidenpapier überzogen wird. Am unteren, offenen Ende wird ein Diagonalkreuz aus Draht angebracht, um dessen Mitte ein mit Sprit getränkter Wattebausch befestigt wird. (In der Vergrösserung ist der brennende Wattebausch als hell leutender Punkt deutlich erkennbar) Zündet man den Wattebausch an, hält den Ballon gut in der richtigen Lage (sonst fängt das Papier Feuer) und wartet eine Weile, steigt er.“

Das scheint mir nun Beweis genug. Die Geschichte im Elffriedebuch ist dadurch natürlich ein wenig entzaubert. Aber man kann ja nicht alle Schweizer Bräuche kennen und erkennen.